Timo bat mich, doch etwas über Auswanderungsforschung zu schreiben und dies mache ich natürlich gerne. Also fangen wir kurz mit allgemeinen, aber wichtigen Informationen an:

Es gab zwei Arten der Auswanderung: Die direkte und die indirekte Auswanderung. Gehen wir von einer Reise von Hamburg nach New York aus, bestieg man bei der direkten Auswanderung ein Schiff in Hamburg und verließ es erst wieder im Zielhafen in New York. Also die gesamte Überfahrt fand an Bord eines Schiffes statt. Das heißt jedoch nicht, dass dieses Schiff nicht zwischendurch in anderen Häfen angehalten hat, um etwa weitere Passagiere oder Proviant aufzunehmen. Im Gegensatz dazu reiste man bei der indirekten Auswanderung auf mindestens zwei Schiffen. Die beispielhafte typische indirekte Auswanderung über Hamburg umfasste die folgenden Stationen: Man bestieg in Hamburg ein Schiff z. B. nach Grimsby in England. Von dort aus ging es per Zug quer durch England weiter nach Liverpool. Dort wurde dann das Schiff nach New York bestiegen. Diese Art der Auswanderung war im Vergleich zu der direkten offensichtlich weitaus beschwerlicher, dafür aber auch sehr viel billiger.

In Deutschland gab es zwei Hauptauswanderungshäfen: Bremerhaven und Hamburg. Der Großteil des Auswanderungsgeschäfts wurde unter den beiden Reederein Hapag (Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft) in Hamburg und dem Norddeutschen Lloyd in Bremen aufgeteilt. Zwischen diesen beiden herrschte natürlich ein harter Konkurrenzkampf um die zahlenden Passagiere, daher kann es durchaus sein, dass jemand der in Hamburg wohnte über Bremen ausgewandert ist, da es zum Zeitpunkt seiner Ausreise gerade günstiger war von Bremen zu fahren. Selbstverständlich gab es auch noch andere kleinere Auswanderungshäfen auf damaligem deutschem Gebiet. Aber das Gros der zwischen ca. 1820 und 1935 ausgewanderten, etwa 12 Millionen Personen, ist von diesen beiden Häfen abgereist.

Oftmals kommt folgende Frage: „Warum sind meine Vorfahren ausgewandert?“

Die Gründe sind durchaus unterschiedlich und reichen von Armut über religiöse Verfolgung bis hin zu rein privaten Gründen. Es gibt hierzu eine gute Internetseite:

http://www.european-emigration.com/

Die nächste Frage ist: „Wie finde ich meine ausgewanderten Vorfahren?“

Fangen wir mal mit dem Positiven an: Die Hamburger Passagierlisten sind (fast) vollständig ab dem Jahrgang 1850 bis 1934 erhalten geblieben und sind zum größten Teil durch grobalphabetische Namensregister erschlossen. Diese Register und Passagierlisten können auf Mikrofilm entweder direkt im Hamburger Staatsarchiv (die gesamte Sammlung) angesehen werden oder bei den Mormonen über deren Webseite http://www.familysearch.org einzeln gegen eine Gebühr bestellt und in der örtlichen Forschungsstelle eingesehen werden. Zu guter Letzt sind die Hamburger Passagierlisten und die dazugehörigen Namensregister auch digitalisiert auf http://www.ancestry.de/ kostenpflichtig auf dem eigenen PC recherchierbar. Im Hamburger Auswanderermuseum Ballinstadt können die auf Ancestry.de veröffentlichten Passagierlisten im Forschungscenter auch kostenlos recherchiert werden.

Die fehlenden Jahrgänge sind der Zeitraum des 1. Weltkrieges wo keine Auswanderung stattfand sowie die Jahre 1935-1939. Auch fehlen einige Monate in den Jahren 1853 und 1869. Die Passagierlisten ab 1939 befinden sich ebenfalls im Hamburger Staatsarchiv. Diese unterliegen jedoch dem Datenschutz und sind NICHT durch Namensregister erschlossen, so dass eine Anfrage ans Archiv nur beantwortet wird, wenn neben den Namen der Passagiere auch das genaue Abfahrtsdatum, Name des Schiffes, der Reederei, des Agenten bzw. Reisebüros und des Reiseziels bekannt sind.

Zu den Bremer Passagierlisten lässt sich Folgendes sagen: Im Jahre 1875 erklärte die Bremer Behörde für das Auswanderungswesen ihr Einverständnis, die Vernichtung der Passagierlisten bis auf die der jeweils letzten drei Jahre vorzunehmen. Dies geschah wegen Raummangels im Archiv und wurde bis 1907 so aktiv durchgeführt. Namenslisten von Auswanderern, die die Polizeidirektion seit 1898 angelegt hatte und die Listen des Nachweisungsbüros ab Oktober 1905 fielen einem Bombenangriff im II. Weltkrieg zum Opfer.


Im Archiv der Handelskammer Bremen befinden sich heute 3017 von ursprünglich mehr als 4500 Passagierlisten aus den Jahren 1920 bis 1939. Die noch vorhandenen Listen hat man mittlerweile indiziert und diese können im Internet durchsucht werden: http://www.passagierlisten.de/

OK, gehen wir mal davon aus Ihre Vorfahren sind vor 1920 ausgewandert und Sie haben die Hamburger Listen vergeblich durchsucht. Noch ist Hopen und Malz nicht verloren.

Wenn Ihre Vorfahren nach Nord-Amerika ausgewandert sind kann man in den Einwanderungslisten stöbern. In den USA gab es verständlicherweise mehrere Ankunftshäfen. Neben den berühmten Ellis Island (New York) Listen (http://www.ellisisland.org/), gab es noch die Häfen in Baltimore, Galveston, New Orleans etc. Hier lohnt sich ein Blick auf ancestry.com, diehaben alle noch vorhandenen Passagierlisten online gestellt. Kostet zwar was, ist aber eine gute Möglichkeit alle Nordamerikanischen Häfen abzudecken.

Schwieriger wird es bei Auswanderungen nach Süd-Amerika, Australien, Afrika und Asien. Da ist es von Land zu Land unterschiedlich, ob und wo es Einwanderungslisten gibt. Da heißt es dann erst einmal recherchieren, welche Einrichtungen es vor Ort gibt.

Eine ebenso häufig gestellte Frage lautet, wie man die Nachkommen der Auswanderer in den verschiedenen Ländern finden kann. Tja, entfernte Verwandte zu finden ist nicht einfach.

Sie haben ja vielleicht Sendungen im TV gesehen, wo Herr X seine Schwester in den USA sucht. In 45 Minuten gelingt es dann RTL die Schwester zu finden und eine Familienzusammenführung zu organisieren. 45 Minuten dauert es im TV, aber oftmals ist eine Recherche von mehr als einem Jahr nötig, um jemanden aufzuspüren. Um mal in den USA zu bleiben: Dort gibt es kein Meldewesen wie wir es hier kennen. Daher ist eine Suche schwierig, aber nicht immer unbedingt aussichtslos. Man kann in den Volkszählungslisten, die in den USA alle 10 Jahre stattfinden nach Vorfahren/Verwandten suchen und dann die Familie bzw. die Kinder in den Listen der nächsten 10 Jahre suchen und so weiter. Kompliziert wird es natürlich, wenn der Vorfahr „nur“ Töchter hatte und diese in der Zwischenzeit geheiratet haben. Aber es heißt ja auch Ahnenforschung

~ Über die Autorin ~


Andrea Bentschneider
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geb. 1968 in Hamburg, erforscht seit fast 20 Jahren ihre eigenen Vorfahren. 2004 machte sie ihr Hobby zum Beruf, gründete ihre Firma Beyond History und bietet seitdem mit ihrem Team professionell genealogische Recherchen an. Seit dem 19. Juni 2007 erscheinen auf ihrem Blog www.abenteuer-ahnenforschung.de regelmäßig Beiträge zum Thema Ahnenforschung.